Ethik der Mentalen Systemik

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Die Ethik der Mentalen Systemik besteht zugleich aus ihren Bausteine und Kernzielen:

Ethische Kernaussagen mentaler Systemik

Jeder Coach, der sich auf die Mentale Systemik bezieht oder deren Siegel trägt, möchte seinen Kunden und Klienten folgendes versichern:

  • Mein Klient und dessen System stehen im Vordergrund
  • Ich hinterfrage und reflektiere meine Arbeit
  • Mein Bestreben ist es persönlich zu wachsen und mich stets weiter zu entwickeln
  • Andere Kollegen, Denkhaltungen, Modelle und Vorgehensweisen betrachte ich mit Respekt
  • Von unreflektierten und suggestiven Vorgehensweisen und methodischen Einbahnstraßen distanziere ich mich.

Menschenbezogene Grundhaltung der Mentalen Systemik

Die folgenden Bausteine der Grundhaltung der Mentalen Systemik bilden das Gerüst. In der Regel durchdringen sich diese Säulen gegenseitig in einem steten Veränderungsprozess.

Zum besseren Verständnis sind jeder Säule Beispiele beigefügt. ACHTUNG! Diese dienen der Veranschaulichung und damit Zuspitzung. Nicht in jedem Fall sind sie an sich automatisch falsch. 

So kann das gleich folgende Beispiel “Heile Deine Wunden, dann wirst Du gesund” auch vollkommenen Sinn ergeben und zum Ziel führen. Die bedeutsame Frage besteht in der jeweiligen Absicht und Vorgehensweise des Anwenders. Immer wenn beispielsweise suggeriert wird, dass nur eine bestimmte Methode X zum Ziel führt, ist Vorsicht geboten.

HinterGRUND für die Mentale Systemik:

Beispielsweise gibt es Heilpraktiker (selbstverständlich nur Einzelne, doch diese schaden anderen Menschen und der ganzen Branche!), die ihren Patienten und anderen Mitmenschen gegenüber darauf bestehen, dass eine bestimmte Kommunikationsweise die einzig Richtige sei. Oder ein “davonlaufen” im Konflikt, ein “lauter werden” der Stimme sowie eine bestimmte Art mit eigenen Herausforderungen umzugehen, “krank” sei. Das ist in höchstem Maße unverantwortlich und gefährlich und zeigt, dass solche Personen keinerlei Wissen von menschlichen Typologien, Verhaltensweisen, Stressmechanismen und Konfliktmuster besitzen. 

Herkunft & Geschichte eines Menschen

Die Werte und Bestrebungen eines Individuums wurzeln meist in der eigenen Geschichte. Sie muss insbesondere bei problematischen Erfahrungen, nicht zwingend im alltäglichen Bewusstsein präsent bleiben. Jahrelanges vom Anbieter erzwungenes darin Wühlen und Aufarbeiten hat unseren Beobachtungen zufolge selten zu für den Alltag nützlichen Ergebnissen in Form von Bewältigungsstrategien geführt.

Wir halten Beratervorgaben á la “vergiss das doch jetzt mal” oder die in systemischen Kontexten sehr verbreitete Haltung wie

“Dein Vater war vor Dir da. Du musst ihm jetzt dafür danken” und auch

“Heil Deine Wunden mit meiner Methode, dann wirst Du gesund”, für äußerst problematisch.

Selbstverständlich kann es sehr zielführend sein, mit methodischen Hilfsmitteln aller Couleur neue Perspektiven zu ermöglichen oder je nach Denkschule auch Tiefenarbeit, Heil- und Abschlusszeremonien zu verwenden. Aus unserer Sicht jedoch immer auch unter Annahme und Akzeptanz der eigenen Geschichte des Menschen. Weder also durch deren Verdrängung, noch durch Zwangsverheilung.

Grundcharakter

Ähnlich der eigenen Geschichte und Herkunft betrachten wir den Grundcharakter als größtenteils fixe Stärkeneinheit. Selbstverständlich im Laufe der Jahre, Erfahrungen, eigenen Pläne und Träume des Klienten veränderlich. Aber in seinen Urzügen doch meist stabil.

So finden wir es äußerst fatal, einen schüchternen Typus in Verkaufsschulungen oder gar Coachings auf eine Haltung des “alles Übungs- und Einstellungssache” zu trimmen (wobei zu betonen ist, dass Coaching & Trimmen zwei an sich nicht kompatible Vorgehensweisen darstellen! Leider mangels Begriffsschutz in der Realität oftmals ungünstig gelebt).

Ähnlich schwierig und nicht personengerecht halten wir Standardtipps von der Beraterstange (bspw. in Erziehungskontexten die Auffassung, dass temperamentvolle Eltern psychisch nicht in Ordnung seien und doch bitte ihre eigenen Baustellen bearbeiten sollen, um entspannter zu ihren Kindern zu sein). Wo so etwas vorkommt, werden Nutella und Senf mit Luftballons in eine Tüte geworfen. Vieles lässt sich trainieren. Sicherlich auch einmal mehr und einmal weniger entspannt sein. Psychische oder körperliche Gewalt ausgeklammert, weil es in solchen Fällen tatsächlicher Hilfe von außen bedarf, sind wir der Meinung, dass sich sowohl die Grundzüge eines Menschen in seinem Verhalten zeigen, jedoch viele weitere Faktoren mit hinein spielen. Komplexe systemische Zusammenhänge seines aktuellen Umfeldes, Lebenskontextes, finanziellen Niveaus, Tagesereignisse, Motivtypus, gelernter Stress- und Konfliktmodus, Wertesystems, die Ernährung, sonstiger Gesundheitsstatus und vieles mehr zeigen sich im Verhalten und Selbstempfinden eines Menschen. Daher sollte der Grundcharakter zwar als wichtige Säule beachtet und respektiert, jedoch niemals isoliert betrachtet werden.

So wird im umgekehrten Fall, jemand mit ruhiger Grundtendenz zwar möglicherweise vor Schreck vom Stuhl fallen, wenn ein temperamentvoller (manche nennen es cholerischen) Charakter lauter kommuniziert. Aber es ist keinesfalls niemand der Beiden “richtiger”. Was wir hierzulande als richtig bewerten, fußt auf unserer Auffassung korrekten Verhaltens in der Gesellschaft. Aber ist es das auch? Wer legt unseren Bewertungsmaßstab fest? Haben insbesondere Emotionen nicht vielfältige Aussagen und Hintergründe, die nicht weniger wichtig sind, um sich und andere besser zu verstehen?

Erfolgreiche Arbeit mit anderen Menschen sollte auf Wertschätzung beruhen. Diese bedingt, jemanden grundsätzlich erst einmal zu nehmen wie er ist. Ein Apfel schält sich nun mal anders als eine Kartoffel!

Daher vermeiden wir mentale Systemcoachs Empfehlungen wie “Schnaufe nächstes Mal durch. Du musst nur ruhiger werden, dann wird’s schon klappen” und damit gesellschaftsgültige Konservenschubladen.
Kommunikative Besonderheiten und deren Fallstricke im Geiste der Perspektivenerweiterung zu zeigen, ist das Eine. Sie vorzugeben, als wäre es ein Schalter, den unser Klient nur einfach umzulegen brauche, empfinden wir für “am Menschen und seinen Bedürfnissen vorbei”.

Vollkommen anders verhält es sich, wenn das Individuum selbst und aus sich selbst heraus (!) bestimmte Verhaltensweisen verändern möchte. Hier greifen diverse Mentalmethoden und dann meist auch mit Erfolg.

Systemische und variable Verortung

Jede Problemeinschätzung, Wunschverhaltensweisen, Zieldefinitionen und dergleichen mehr, sind immer Momentbetrachtungen eines Individuums. Durchaus geprägt durch Herkunft, aktuellem Umfeld und Charakter. Aber auch weit darüber hinaus basierend auf seiner Tagesverfassung, aktueller Bewusstheit eigener Lebenszusammenhänge und Befindlichkeitszuschreibungen sowie der in dieser speziellen Situation vorrangigen Rolle, nicht zu vergessen seiner Rollen-Wunschvorstellung “wie man jetzt sein sollte”.

Würde diese Person ihre aktuelle Wahrnehmung am Abend jemand anderem erzählen, könnte sie von der Erzählung eines externen Beobachters ebenso abweichen, wie von ihrer eigenen Version einige Stunden zuvor oder gegenüber einer weiteren Person.

Ist nun eine Variante davon falsch?
Vielleicht ja. Eher aber nein. Vor allem aber ist es Aufgabe des Beraters, schon diese Einschätzung und damit weitere Schubladeneinsortierungen zu unterlassen. Wertschätzende und förderliche Begleitung liegt nicht zuletzt in der Kunst, dies in immer höherer Präzision zu vermeiden. Was nützt auch eine solche Bewertung für die nächste Sitzung, zu der alles bereits wieder ganz anders sein kann?

Anders, weil der Klient andere Feststellungen getroffen, Zusammenhänge neu sortiert und Vorlieben neu bewertet haben kann. Nicht weil er wankelmütig und unverlässlich ist nach dem Motto

“Aber Sie haben doch gesagt, dass diese Entscheidung aus dem Bauch kam. Sie sollten an Ihrem Bauchgefühl arbeiten”. No go!!

Sondern weil er sich in jeder einzelnen Minute seines Lebens verändert. Und dies nicht alphanumerisch, sondern menschlich und damit nicht vorhersehbar. Auch nicht für ihn selbst.

Dies beraterseitig zu verstehen, anzuerkennen und stets auch im bewussten Hintergrundschirm zu halten, erfordert die Absicht als solche, Übung und ehrliche bewertungsfreie (ja, auch sich selbst gegenüber) Selbstreflexion.

Inneres Bestreben

Die Grundsehnsucht der Seele basiert auf einem eigenem Wertekorsett. Vermutlich aufbauend auf den kindlich gemachten Erfahrungen und den Chancen seines sozialen Status’, entwickelt sich ein Mensch beruflich und privat in eine bestimmte Richtung. Diese kann unglücklicher oder gar krimineller Art sein oder aber auch bis hin zu Doktortiteln führen. Wobei das Eine das Andere natürlich nicht ausschließt. Im Idealfall (?) wird das Wesen mit seiner Wahl glücklich. Häufig jedoch nicht.

Unabhängig der eigenen inneren, oftmals von Logik geprägten Herangehensweise zur Gestaltung des eigenen Lebens, gibt es bei jedem Menschen ein inneres Bestreben. Permanente persönliche Entwicklung sind eine Art evolutionäre Pflicht, das Lebenselixier menschlicher DNS.

Spirituell geprägte Denker werden diesen Part einer höheren göttlichen Instanz zuordnen. Erlaubt ist was dem Klienten gefällt (!).

Auf jeden Fall scheint es sehr zieldienlich, das Wahrnehmen und Respektieren dieser inneren Stimme (des Bauchgefühls, der Intuition) ins Auge zu fassen und ggfs. zu schulen. Sie weist oftmals die “richtige” (oder aber auch für eine bestimmte Erfahrung wichtige) Richtung.

Gerade wenn allgemeingültige Erfolgsstrategien wie das Modell “SMART” auf Dauer immer wieder scheitern, ist mit Berücksichtigung und Einbindung dieser Facette mit hoher Wahrscheinlichkeit, ein Lösungsraum oder Erkenntnisgewinn zu finden.

In diesem Bereich finden besonders häufig fatale Schlussfolgerungen statt, die nicht selten dem Klienten die Denkhaltungen und Werte des Beraters überstülpen in der Art:

“Sie haben es doch nicht nötig, Ihrem Kind das anzutun. Kinder gehören nach Hause. Wenn ich Sie behandelt habe, werden Sie das Gespür dafür wieder erlangen.”
Dieses “Kinderbetreuungs”-Beispiel wie auch alle anderen sind genau so geschehen bzw. mir von KundInnen erzählt worden.

“Es ist wichtig, auf Ihre Stimme zu hören.”
Aha, auf welche davon? Selbstverständlich stimmt diese Aussage. Doch wenn Berater sie deshalb verwenden, um ihre eigene Haltung einzuimpfen, dann geht es zu weit.

“Verlassen Sie den Mann, der Kinder zuliebe. Gesunde Ernährung sollte immer Vorrang haben.” Ja, wichtiger als der Vater? In diesem Fall hatte eine stark auf gesunde Ernährung fokussierte Beraterin empfohlen, den Mann zu verlassen, weil er nicht fähig war, seinen Kindern gegenüber Naschgrenzen zu setzen.

“Denken Sie doch an Ihre armen Kinder.” Welch Unterstellung, dies nicht zu tun! Hier ging es um den umgekehrten Fall. Die etwas strenge und disziplinierte Mama, hatte aufgrund einer ADHS-Problematik ihrem Kind Süßes reduziert und musste sich sogar von Ärzten anhören, sie solle ihren Kindern doch bitte deren Spaß nicht nehmen.

Eigene Geisteskraft & Autonomie

Jedem Menschen wird grundsätzlich die eigene Fähigkeit zuerkannt, sich selbst zu helfen. Niemand muss einen Prozess A-B-C durchlaufen, um zu seinem Ziel zu kommen. Manche Menschen suchen und finden eine Anregung und kommen dann allein voran. Andere bevorzugen langwierige Begleitprozesse. Auch das ist in Ordnung. Wichtig ist, sich am Individuum und seinen Bedürfnissen auszurichten, anstelle ihn in vorgefasste Schubladen und vorgefertigte Prozesse zu pressen.

Vieles was einem Menschen als vermeintliche Stärke “nicht gegeben” scheint oder sich bereits negativ gefestigt hat, lässt sich mit der Kraft des eigenen Geistes oft hervorragend optimieren/umpolen/verändern. Allerdings nur wenn sie vom Betreffenden selbst als zielführend und wichtig erachtet wird. Nicht weil ein Berater oder Therapeut bestimmte Eigenschaften für hilfreich hält á la:

“Warum sind Sie da so verbissen?” oder “Sie haben das doch gar nicht nötig.”

Sicherlich ist letzter Satz absolut gut gemeint. Für Menschen mit hoch ausgeprägten Lebensmotiven Anerkennung und Status, sind solche Sätze aber dennoch eine zuweilen fatale Beleidigung.

Diese Säule ist Training + Haltung zugleich. Mit ihrer Kraft können andere Säulen mental in nützliche(re) Perspektiven umgestrickt werden. Jede Methode hat hier den Nachrang. Ein Begleiter der Mentalen Systemik ist mit den komplexen Zusammenspielen mentaler Prozesse und deren Möglichkeiten vertraut sowie in der Lage, diese zu vermitteln.

Stete Reflexion

Als sich laufend selbst aktualisierende Spiegelung (mit doppeltem Verantwortungsgewicht auf Beraterseite), gilt die stete Eigenreflexion.

Wenn mir der Prozess meiner ständigen Veränderung erst einmal vollkommen bewusst ist, kann ich viel achtsamer und selbstwirksamer darauf reagieren. Dies fördert meine eigene aktive Lebensgestaltung hin zur Erfüllung meines Seins. Jenen Zustand immer stabilerer Begeisterungsphasen bei gleichzeitiger Achtung und Annahme gegenteiliger Erfahrungsräume und -phasen.

Einen Klienten in seiner Welt abzuholen, bedeutet demzufolge, DESSEN Erleben nicht nur zu erfragen, sondern als REAL zu betrachten. Dies bedeutet dessen Eigenwahrnehmung zu achten und auch mögliche negativ besetzte Stimmungen achtsam aufzufangen, je nach therapeutischer Befugnis und ethischer Angemessenheit zu beleuchten, jedoch keinesfalls unter allzu lichtvoll verblendeter Realitätsverzerrung klein- oder auszureden.

Die Mentale Systemik möchte hiermit keine Distanzierung spirituell orientierter Werkzeuge zum Ausdruck bringen, jedoch die achtsame Verbindung zweier Seiten einer Medaille und somit gleichzeitige Verwurzelung des Wurzelchakras betonen.

Zustimmender Fachmensch?

Berufsanwender die sich mit dieser Ethik und den Bausteinen und Modellen der Mentalen Systemik identifizieren und ihren eigenen Kunden gegenüber transportieren möchten, können unter bestimmten Voraussetzungen das eigens hierfür entwickelte Siegel nutzen. Details finden sich im entsprechenden Bereich ➡ “Kollegen”